Stable Jobs – Better Science

Tuesday, 13. December 2022, 11:28 167093090911Tue, 13 Dec 2022 11:28:29 +0100, Posted by admin1 in Heft 229, No Comments.

Stable Jobs – Better Science


Befristete Verträge, fehlende Zukunftsaussichten und Machtmissbrauch schaden sowohl den Angestellten des Mittelbaus als auch der Wissenschaftsqualität. Die Arbeits- und Anstellungsbedingungen von Assistierenden, Doktorierenden und Postdoktorierenden an Hochschulen müssen dringend verbessert werden. Aus diesem Grund haben die Mitglieder der Gewerkschaft VPOD die nationale Kampagne «Stable Jobs – Better Science» lanciert.

Von Fabio Höhener

Die Menschheit steht vor grossen Herausforderungen: Wir müssen die Klimakrise abwenden, Kriege und Konflikte befrieden und Pandemien bekämpfen. Letztlich nichts weniger als den Planeten und deren Bewohner:innen retten. Um als Gesellschaft diese Aufgabe effektiv zu meistern, braucht es politische Entscheidungen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, die fortlaufend kritisch überprüft, aktualisiert oder gar revidiert werden.
Doch nicht nur für die Aufgaben, die uns in diesem Moment riesig und wichtig erscheinen, braucht es faktenbasierte Lösungen. Auch für die alltäglichen Fragen, die uns das Leben stellt und noch stellen wird, müssen wir kontinuierlich Grundlagen erarbeiten und beharrlich Antworten suchen. Massgeblich verantwortlich für diese gesellschaftsrelevante und existenzsichernde öffentliche Aufgabe sind die Angestellten aus Forschung und Lehre. Doch der Umgang mit den Produzent:innen und Vermittler:innen von fundiertem Wissen ist analog ihrer Anstellung: PREKÄR.

Erste Erfolge des Widerstands an den Hochschulen

Eine überwältigende Mehrheit der Angestellten des akademischen Mittelbaus an Universitäten, Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen ist befristet angestellt. Das Bundesamt für Statistik (BFS) weist für das Jahr 2021 aus, dass 91 Prozent aller Assistierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitenden keine feste Anstellung besitzen. Gleichzeitig stemmt diese Personalgruppe den grössen Teil der Forschung und einen erheblichen Teil der Lehre. Ob und wann eine unbefristete Stelle winkt, ist ungewiss. Unterhalb der rar gesäten Professuren finden sich kaum unbefristete Anstellungen. Dort versauert und bangt das Forschungsprekariat und angelt sich von einer Projektstelle zur nächsten.

«Unterhalb der rar gesäten Professuren finden sich kaum unbefristete Anstellungen. Dort versauert und bangt das Forschungsprekariat und angelt sich von einer Projektstelle zur nächsten.»

Doch aus dem Mittelbau regt sich Widerstand. Mit der Petition Academia forderten Angehörige des akademischen Mittelbaus verschiedener Universitäten gegenüber der Bundesversammlung die vermehrte Schaffung von festen Stellen für Forschende und Lehrende nach dem Doktorat (vgl. «vpod bildungspolitik» 226, S. 8-9). Dadurch sollen die Gesundheit und das Privatleben des wissenschaftlichen Personals geschützt sowie die Arbeitsbedingungen und die Qualität der akademischen Lehre und Forschung verbessert werden.

Die vom VPOD unterstützte Petition erzielte bereits einen nicht zu unterschätzenden Teilerfolg. Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur hat die Forderungen der Petition aufgegriffen und im April 2022 ein vom Nationalrat unterstütztes Postulat (22.3390) eingereicht. Darin werden vom Bundesrat unter anderem ein Bericht zur Situation des Mittelbaus und allfällige Massnahmen zum Ausbau der Festanstellungen gefordert.

Organisieren und kämpfen vor Ort!

Trotz dieses Erfolges ist für die Mitglieder des VPOD im Hochschulbereich klar, dass wir nicht gewillt sind, abzuwarten bis schliesslich die Berichte geschrieben und mögliche Massnahmen in den Institutionen endlich ihre dringliche Wirkung entfalten. Wir wollen jetzt vor Ort aktiv werden und konkrete Verbesserungen erkämpfen. Die Arbeit an Hochschulen ist geprägt von befristeten Arbeitsverträgen mit kurzen Laufzeiten,  starkem Konkurrenzdruck und hoher Abhängigkeit von Professor:innen. Die hürdenreiche Laufbahn führt über wiederkehrende befristete Teilzeitanstellungen mit unbezahlter Mehrarbeit, schlechter Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ungenügenden Mitwirkungsmöglichkeiten. Unter diesen prekären Anstellungen leiden die Angestellten und leidet schliesslich auch die Qualität der Forschung. Statt dieses strukturelle Problem zu lösen, spielen Hochschulen, Bund und Behörden weiterhin Verantwortungs-Ping-Pong.

Um die Kontinuität und Qualität wissenschaftlicher Arbeit zu verbessern, braucht es stabile und bessere Anstellungsbedingungen. Erreichen können wir das nur, wenn wir uns innerhalb der Hochschulen und in unserer Gewerkschaft VPOD organisieren. So können wir den Druck auf alle Verantwortlichen erhöhen und die notwendigen Änderungen erzwingen.

Mittlerweile haben an mehreren Universitäten und Fachhochschulen erste Aktivitäten stattgefunden. Es wurden Gruppen gegründet, Versammlungen abgehalten, Workshops durchgeführt und Forderungen formuliert. Die Resonanz der Angestellten ist überwältigend, der Wille, Verbesserungen zu erkämpfen, motivierend. In einigen Hochschulen herrscht bereits reger Aktivismus, andere planen im Frühjahrssemester erste Aktivitäten. Wo noch nichts läuft, bietet die Kampagne die Möglichkeit, auch kurzfristig etwas aufzugleisen. 

Willst auch du dich für bessere Anstellungsbedingungen sowie eine öffentliche, freie und qualitativ hochwertige Forschung und Lehre engagieren?

Schliess dich uns an und melde dich bei deinem Regionalsekretariat oder wende dich an fabio.hoehener@vpod-ssp.ch   


Sei wie Hanna, Tarik und Aida –

Organisiere dich!

Hanna, Tarik und Aida arbeiten an verschiedenen Hochschulen und stehen an unterschiedlichen Punkten in ihrer akademischen Laufbahn. Als Teil des sogenannten akademischen Mittelbaus befinden sie sich in prekären Anstellungen, die eine Vielzahl von Schwierigkeiten mit sich bringen und die Arbeitsqualität gefährden. Gemeinsam haben sie den Entschluss gefasst, sich gegen diese Ungerechtigkeiten gewerkschaftlich zu wehren. Sie stehen ein für bessere Arbeits- und Anstellungsbedingungen, die gute Forschung ermöglichen. Schliess dich ihnen an!

«Dauerstellen für Daueraufgaben!»

Aida hat ihr naturwissenschaftliches Studium an verschiedenen Hochschulen im europäischen Ausland absolviert. Seit einigen Jahren forscht sie in befristeten Projekten an verschiedenen Hochschulen in der Schweiz und muss sich während ihrer laufenden Forschung dauernd um die Finanzierung des nächsten Projektes kümmern. Ihre Aufenthaltsbewilligung ist an ihren Job gebunden. Diese unsichere Situation ist für sie beängstigend. Sie findet, dass dies in der Schweiz zu wenigen Leuten bewusst ist und möchte das ändern. Sie stellt zudem fest, dass dies auch ihrer Forschung schadet. Sie hat sich an ihren vorherigen Standorten stark gewerkschaftlich und bildungspolitisch engagiert und an Aktionen teilgenommen. Ihre gewerkschaftliche Erfahrung will sie auch in der Schweiz einbringen.

«Schluss mit Vollzeitarbeit bei Teilzeitlohn!»

Nach Abschluss seines Masterstudiums strebt Tarik ein Doktorat an. Mittlerweile hat er eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanzierte und auf vier Jahre befristete 60-Prozent-Stelle angenommen. Mit Stellenantritt zeigt sich, dass die Universität von ihm erwartet, dass er trotz Teilzeitstelle Vollzeit arbeitet und durchgehend für sie zur Verfügung steht. Das lässt sich nicht mit seinen familiären Betreuungsverpflichtungen vereinbaren. Zudem leistet er unentwegt Überstunden, die nicht vergütet werden. Er hat an einer Veranstaltung des VPOD gesehen, dass er nicht der Einzige ist, der mit diesem Problem kämpft. Er will nicht warten, bis die Politik handelt, sondern jetzt konkrete Veränderung an seiner Universität erzielen. Er hat sich beim VPOD organisiert und engagiert sich für die Kampagne Stable Jobs – Better Science.

«Mehr Mit- statt Fremdbestimmung!»

Hannas Bildungsweg führte über die Berufslehre mit anschliessender Berufsmaturität in den akademischen Mittelbau. Bereits während der Lehre war sie aktives Gewerkschaftsmitglied beim VPOD und ist es auch als Dozentin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer Fachhochschule geblieben. Sie und ihre Kolleg:innen haben es dank gewerkschaftlichen Interventionen geschafft, die Mitwirkung des Mittelbaus an ihrer Hochschule erheblich zu verbessern. Nun plant die Hochschulleitung eine Reorganisation, welche Auswirkungen auf die Funktionen und Laufbahnen der Mitarbeitenden hat. Für Hanna ist klar, dass es mehr Kontinuität und stabilere sowie attraktivere Laufbahnen braucht: Nur so lässt sich der Lehr- und Forschungsauftrag gut erfüllen. Ihre verbesserten Mitwirkungsrechte an der Hochschule wollen sie nun nutzen, um das Projekt in die richtigen Bahnen zu lenken.


Fabio Höhener ist VPOD-Zentralsekretär für den Bereich Bildung, Erziehung und Wissenschaft.

Illustrationen zur Hochschulkampagne: art.I.schock.net


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